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Amor und Psyche - Kapitel 3

Endlich kam sie wieder zu sich selbst und stand nun versunken in die Schönheit des Götterantlitzes. Sie sah das üppige, von Ambrosia glänzende Haar des goldigen Hauptes Endlich kam sie wieder zu sich selbst und stand nun versunken in die Schönheit des Götterantlitzes. Sie sah das üppige, von Ambrosia glänzende Haar des goldigen Hauptes

Apuleius: Amor und Psyche

Märchen

Drittes Kapitel
Der Sündenfall Psyches

Vor Aufregung begrüssten die Bösen nur widerwillig die Eltern, und jagten nach einer schlaflosen Nacht in aller Frühe auf den Berg. Der Wind war wieder zur Stelle, sie stürzten sich jählings hinab. Unter Thränen, die sie sich gewaltsam aus den Augen quälten, sprachen sie voll Tücke zu Psyche: »Ja, du kannst wohl sorglos und glücklich dasitzen, du ahnst ja nichts von der drohenden Gefahr; wir aber wachen und sorgen für dein Glück und ängstigen uns zu Tode um dein Geschick. Denn was wir als sicher verbürgt erfahren, dürfen wir, die wir Schmerz und Unglück mit dir teilen, nicht vor dir verhehlen. Ein furchtbarer Drache, mit vielgeknoteten Ringeln, giftgeschwollenem Halse und tiefgähnendem Rachen ruht heimlich zur Nacht bei dir. Erinnere dich nur an Apollos Orakel: es sprach, du seist bestimmt zur Braut einem giftigen Tier. Viele Bauern und Jäger hier in der Gegend, die haben es gesehen, wenn es abends vom Frasse kam und in der nahen Furt badete. Und alle versichern, es werde dich nicht lange mehr schmeichlerisch füttern, sondern warte bloss darauf, bis das Kind ganz ausgetragen, um dann dich mit ihm zu verschlingen. Es ist nun deine Sache, hiernach zu erwägen, ob du auf deine für dein süsses Wohl besorgten Schwestern hören und mit uns fern von Gefahren leben oder dich im Bauche des grausen Tieres begraben lassen willst. Sollte dich aber die nur von Geisterstimmen belebte Einsamkeit dieser Villa und der heimliche Liebesgenuss in der Umarmung des giftigen Drachens mehr fesseln: nun, so haben wir treuen Schwestern das Unsrige doch gethan.« Psyche, die arme Kleine, die Schwache und Herzensreine, ward bei der furchtbaren Mitteilung von Angst und Graus erfasst: sie vergass völlig die mahnenden Worte ihres Geliebten und ihr Versprechen, und stürzte sich tief ins Elend. Zitternd und leichenblass sprach sie mit stockender Stimme, halb nur die Lippen geöffnet, zu ihnen diese Worte: »Ihr guten Schwestern, die ihr mir wieder einmal einen Beweis eurer Liebe gebt! Auch ich muss an die Wahrheit des Gerüchts glauben. Denn meines Geliebten Antlitz sah ich nie, noch weiss ich überhaupt, wer und woher er ist: nur seine Stimme höre ich bei Nacht, dem Tageslicht entzieht er sich. Ihr habt ganz recht: ein Tier muss es sein. Darum droht er mir auch, meine Neugier, sein Gesicht zu sehen, werde mir schlecht bekommen. Könnt ihr daher eurer Schwester Hilfe in der Not bringen, so thut es, ehe es zu spät und eure ganze bisherige Fürsorge umsonst ist.« Jetzt hatten sie gewonnenes Spiel und konnten vom versteckten zum offenen Angriff übergehen. »Da wir,« sprach die eine, »als deine leiblichen Schwestern jeder Gefahr, wo es sich um dein Wohl handelt, gern ins Auge sehen wollen, so werden wir dir den Weg zeigen, der, wie wir nach reiflicher Ueberlegung fanden, einzig und allein zu deiner Rettung führt. Verbirg ein haarscharf geschliffenes Messer bei deinem Lager. Dann fülle ein hellbrennendes Lämpchen mit Oel und stelle es wohlversteckt in einen kleinen Topf. Wenn er dann seinen Drachenleib auf dem Lager wieder ausgestreckt hat und du merkst, dass er eben fest eingeschlafen ist, so lasse dich aus dem Bett gleiten, schleiche auf blossen Füssen ganz sachte zu dem Versteck der Lampe, und dann schnell zur That. Die Rechte zum Streich erhoben, triff mit des Messers Schneide den Hals des giftigen Drachen und trenne den Kopf vom Rumpf. An unserm Beistand soll es dir nicht fehlen, sondern sobald du dich durch seine Ermordung gerettet hast, werden wir dir sorgsam zur Hand sein, alle diese schönen Sachen hier schleunigst mit dir davontragen und dich mit einem Menschen nach deiner Wahl vermählen.« Nach diesen Worten liessen sie sich sogleich, aus Furcht, es könne ihnen, wenn sie in der Nähe blieben, schlimm ergehen, auf Windesflügeln wieder auf die Höhe des Berges tragen, machten sich schleunigst auf die Beine und fuhren zu Schiff auf und davon. Als Psyche so ganz allein war – nur die bösen Geister ihres Innern waren bei ihr –, wogte ihre Brust vor Trauer wie des Meeres Brandung, und, so fest ihr Plan, so entschlossen ihr Sinn auch war, wurde sie doch, als sie ans Werk gehen wollte, schwankend: bald eilte sie zur Ausführung, bald schob sie diese wieder auf; Mut wechselte mit Angst, Verzweiflung mit Zorn, ja, was das Schlimmste war: dasselbe Wesen flösste ihr Entsetzen als Ungeheuer und Zuneigung als ihr Geliebter ein. Als es aber auf die Nacht ging, rüstete sie hastig alles für die Frevelthat zu. Nun kam die Nacht und mit ihr der Geliebte, der nach der Umarmung seiner Psyche gleich in tiefen Schlaf sank. Diese, sonst ein schwaches und zaghaftes Weib, ward durch ihr böses Geschick stark und kühn wie ein Mann. Sie holte die Lampe und ergriff das Messer. Aber kaum hatte der Schein des Lichts das geheimnisvolle Lager beleuchtet, da sah sie – kein wildes Tier, nein, ein gar sanftes und süsses Wesen, den leibhaftigen Amor, den holden Gott in holdem Schlummer. Es strahlte selbst die Lampe heller, und die Schneide des Messers begann zu funkeln. Psyche aber sank leichenblass und vor Schreck zitternd, wie ohnmächtig in die Kniee. Sie war schon im Begriff, sich das Messer selbst in die Brust zu stossen, doch entglitt es ihrer Hand.

Endlich kam sie wieder zu sich selbst und stand nun versunken in die Schönheit des Götterantlitzes. Sie sah das üppige, von Ambrosia glänzende Haar des goldigen Hauptes, dessen Locken über die purpurnen Wangen und den schneeigen Nacken in zierlich gekräuselten Ringeln wallten, An den Schultern des weichen und zarten Körpers schimmerten die Federn wie Tautropfen auf Blüten, und, obwohl die Schwingen ruhten, trieben die äussersten Flaumfederchen, unter seinen Atemzügen lieblich vibrierend, ein munteres Spiel. Venus durfte stolz auf einen so herrlichen Sohn sein. An den Bettfüssen lagen Pfeile, Bogen und Köcher, des mächtigen Gottes holdselige Waffen. Psyche konnte sich gar nicht satt an dem Geliebten sehen und seine Waffen nicht genug bewundern und betasten; schliesslich nahm sie aus dem Köcher einen Pfeil, um dessen feine Spitze an ihrem Daumen ganz vorsichtig zu probieren. Aber da ihr Handgelenk noch immer zitterte, ging der Stich etwas zu tief, so dass ein Tröpflein ihres Purpurblutes durch die Haut rieselte. So kam's, dass sie, ohne es zu wissen und zu wollen, sich dem Gott der Liebe ganz zu eigen gab. Liebeglühend beugte sie sich über ihn und bedeckte ihn mit heissen, stürmischen Küssen, dass sie fürchtete, er werde davon erwachen. Während so ihre liebeswunde Brust in Seligkeit wallte, fiel von der verräterischen Lampe ein Tropfen siedendes Oel auf die rechte Schulter des Gottes. Der sprang vor Schmerz empor; als er sah, wie schmählich sie ihr Wort gebrochen, flog er sofort, ohne ein Wort zu sagen, aus den Augen und Armen seiner trostlosen Geliebten davon. Aber Psyche umklammerte sogleich seinem rechten Fuss, um ihn so auf seinen Flug durch die Wolkenregionen zu begleiten; doch bald sank sie müde zu Boden nieder. Als der Gott die Geliebte so daliegen sah, konnte er es nicht über sich gewinnen, sie gleich zu verlassen: er flog auf eine nahe Cypresse und sprach zu ihr tiefbetrübt von deren hohem Wipfel: »Einfältige Psyche, trotz des Befehls meiner Mutter Venus, dich der Begierde eines Elenden aus der Hefe des Volks auszuliefern, bin ich zu dir auf Flügeln der Liebe gekommen. Ein Thor war ich und ein schlechter Schütze, der ich mich selbst mit meinem Pfeile traf und dich zu meiner Geliebten erhob, auf dass du mir wie einem wilden Tier mein Haupt vom Rumpfe zu trennen suchtest, mein Haupt mit diesen Augen, die sich in dich verliebt! Wie oftmals hab' ich dich gewarnt, wie oft in Güte dich gemahnt! Doch deine schlechten Ratgeberinnen sollen mir sofort für ihre böse Lehre büssen; dich straf' ich nur mit meiner Flucht.« Sprach's und schwang sich hoch gen Himmel. Psyche verfolgte, am Boden hingestreckt, unter lauten Klagen den Flug des Geliebten, so weit sie konnte. Als er ihr aber, von seinen Fittichen in unermessliche Fernen emporgetragen, unkenntlich geworden war, stürzte sie sich kopfüber in den nahen Strom. Aber der Flussgott trug sie, aus Furcht, er werde sonst die Macht des Liebesgottes an sich selbst erfahren, ihm zu Ehren schleunigst in sanftem Wirbel auf eine Blumenwiese an seinem Ufer. Dort sass gerade Pan, der Hirtengott, in seinen Armen Echo, die Berggöttin, die er unterwies, Rufe aller Art im Wiederhall melodisch zurückzugeben; seine Zicklein hüpften frei umher ganz nahe am Ufer und rupften das saftige Gras der Weide. Der bocksfüssige Gott rief die zu Tode betrübte Psyche, deren Unglück er kannte, freundlich zu sich und suchte sie mit mildem Zuspruch zu trösten: »Du allerliebstes Mädchen, freilich bin ich nur ein bäurischer Hirt, aber ein gar alter Mann und daher reich an Erfahrung. Nach deinem unstäten Gang, der Blässe deines Gesichts, deinem beständigen Seufzen und deinem traurigen Blick zu urteilen, leidest du an unglücklicher Liebe. Nun höre, was ich dir sage: versuche nicht zum zweitenmal, dein Leben gewaltsam zu beendigen, und gräme dich nicht mehr, sondern bete zu dem mächtigen Amor, dessen Gnade du dir durch Schmeicheln und Gehorsam verdienen musst.« Psyche erwies dem Hirtengott zum Dank für seine huldreichen Worte stumm die schuldige Verehrung, und ging dann ihres Weges. So schleppte sie sich ziellos ein gutes Stück weiter. Endlich kam sie, als es schon dunkel wurde, auf einem Fusssteig, ohne es zu wissen, zu der Stadt, wo der Gemahl einer ihrer Schwestern König war. Da liess sie sich bei ihrer Schwester melden und wurde gleich vorgelassen. Sie begrüssten und umarmten sich; dann antwortete Psyche auf die Frage nach dem Grund ihres Kommens: »Du erinnerst dich an euern Rat, das Tier, das sich für meinen Geliebten ausgab und neben mir ruhte, mit einem scharfen Messer zu töten, bevor es mich Arme gierig verschlänge. Aber kaum hatte ich ihm mit der Lampe ins Gesicht geleuchtet, als ich ein Wunder gewahrte, ein wahres Götterschauspiel: es war Amor, der leibhaftige Sohn der Venus, der da in holdem Schlummer lag. Während mich der Anblick solcher Herrlichkeit erschauern machte, wollte es der böse Zufall, dass von der Lampe ein Tropfen siedendes Oel auf seine Schulter fiel. Vor Schmerz fuhr er aus dem Schlaf empor und sah mich mit dem Licht und dem Messer vor sich stehn. ›Hebe dich, sprach er, zum Lohn für solche Unthat sofort hinweg von meinem Lager und gehe deiner Wege; ich aber werde mich gleich mit deiner Schwester – dabei nannte er deinen Namen – in allen Formen Rechtens vermählen.‹ Dann rief er sofort den Zephyr, der mich von dannen trug.« Psyche hatte noch nicht ausgeredet, als jene, von wilder Begierde und Eifersucht getrieben, sofort ein Schiff bestieg, nachdem sie ihrem Gatten vorgelogen, sie habe die Kunde vom Tode ihres Vaters erhalten. Bei dem Felsen angekommen, achtete sie, von Erwartung und Gier verblendet, gar nicht darauf, dass Zephyr nicht zur Stelle war, sondern mit den Worten »nimm mich, Amor, hin, als deiner würdige Gattin; fang' deine Herrin, Zephyr, auf«, sprang sie in die Tiefe. Aber sie sollte ihr Ziel nicht einmal tot erreichen: die Zacken des Felsens zerschmetterten ihre Glieder, so kam sie um, die Böse, den Vögeln und Tieren zum Frass. Der ersten Strafe folgte die zweite auf den Fuss. Denn Psyche kam auf ihrer Irrfahrt auch in die Stadt, in der ihre zweite Schwester wohnte. Auch diese liess sich täuschen und kam auf dieselbe Weise elendiglich um.

Last modified onTuesday, 01 November 2016 13:33

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