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Geburtstrauma - emotionale und psychische Folgen für das Kind in der frühen Kindheit

Besonders auf den Zusammenhang von aggressivem, gewaltsamem Verhalten und frühe Störungen der Bindung wird häufig hingewiesen. Vor allem die Eltern müssen das Kind unterstützen das Geburtstrauma zu bewältigen. Dies kann nur durch eine gute und vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung geschehen. Besonders auf den Zusammenhang von aggressivem, gewaltsamem Verhalten und frühe Störungen der Bindung wird häufig hingewiesen. Vor allem die Eltern müssen das Kind unterstützen das Geburtstrauma zu bewältigen. Dies kann nur durch eine gute und vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung geschehen.

Wie erlebt mein Kind seine Geburt?

Diese Frage stellen sich sicherlich viele Mütter, die während ihrer Schwangerschaft über die bevorstehende Geburt nachdenken. Noch vor etwa 40 bis 50 Jahren hätte man gesagt, dass das Kind die Geburt nicht miterlebt, da es noch keinerlei Gefühle und Empfindungen hat. Doch heute herrscht auf Grund neuer Forschungserkenntnisse eine gegensätzliche Meinung, denn das Bild vom Erleben und Empfinden des Babys hat sich grundlegend geändert. Durch die Hirn- und Säuglingsforschung hat man erkannt, dass jedes Kind schon weit vor der Geburt ein empfindsames und fühlendes Menschenwesen ist und schon viel mehr miterlebt, als wir bisher angenommen hatten.

Das Ungeborene lernt intrauterin nicht nur die Gefühlswelt der Mutter kennen und teilt mit ihr gemeinsame Erfahrungen, sondern macht bereits prä- und perinatal seine eigenen Beobachtungen und Wahrnehmungen. Solche Erfahrungen bewirken zahlreiche neue Verschaltungen und Verdrahtungen im Gehirn des Fötus und prägen sich so in das Nervensystem, welches sich stetig entwickelt, ein. Diese frühen Veränderungen im Gehirn können sogar die Genaktivitäten beeinflussen und somit Auswirkungen auf das gesamte Leben haben. Auf Grund dieser neu gewonnenen Erkenntnis, dass Babys (die vorgeburtliche Phase und) die Geburt miterleben und individuell erfahren, stellt sich die Frage, inwieweit eine traumatische Geburt das Kind und seine Entwicklung beeinflussen kann.

Oft müssen Babys eine Geburt erleben, welche durch stundenlange Wehen, Schmerzen, Medikamente, Komplikationen und medizinische Eingriffe eine extreme Stresssituation für sie darstellt. Auch die Zeit direkt nach der Geburt, in welcher die Neugeborenen mit vollkommen anderen Bedingungen zurechtkommen müssen, sind dabei prägend für das Kind. Nach neun Monaten in einem 37 Grad warmen, stressfreien, geschütztem Raum in einen klimatisierten, grell erleuchteten Kreiß- oder Operationssaal anzukommen, ist für das Kind sicherlich alles andere als eine angenehme Begrüßung. Auch die Behandlung, Untersuchungen, Vitamininjektionen, Entnahme der Blutprobe und eventuelle Trennung der Mutter überfordert mit großer Wahrscheinlichkeit die Anpassungsmöglichkeiten des Neugeborenen.
Wie werden solche frühen traumatischen Erfahrungen, welche sich im Gehirn einprägen, die kindliche Entwicklung beeinflussen? Was können Folgen einer traumatisch erlebten Geburt in frühester Kindheit sein? Welche Verhaltensweisen können durch die Geburt geprägt sein? Dieser Fragestellung soll im Folgenden nachgegangen werden. Als Grundlage soll dabei zunächst einmal der Begriff der traumatischen Geburt beziehungsweise des Geburtstraumas definiert werden. Weiterhin soll erläutert werden, was überhaupt Ursachen und Auslöser von Geburtstraumata sein können. Anschließend werden verschiedenste psychische und emotionale Symptome und Folgen betrachtet, welche in der kindlichen Entwicklung als auffälliges Entwicklungsverhalten beschrieben werden. Die psychologischen Folgen können dabei sowohl bewusste als auch unbewusste psychische Vorgänge des Verhaltens und der Persönlichkeit beschreiben. Bei den emotionalen Folgen geht es um die Gefühlslage der Kinder und mit bestimmten Emotionen verbundene Verhaltensweisen.

Angeführt werden hier das Schreibabysyndrom, verschiedene auffällige Ausdrucksweisen im Spiel, Kinderängste und Ähnliches, sowie eine gestörte Mutter- Kind-Bindung. Diese Aspekte sollen in Zusammenhang mit einem Geburtstrauma gebracht und als Folge von diesem betrachtet werden. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, sollen diese Aspekte der kindlichen Entwicklung beispielhaft für die emotionalen und psychischen Folgen eines Geburtstraumas für das Kind in der frühen Kindheit stehen.
Die Betrachtung der körperlichen Folgen, welche sehr vielfältig sein können (allerdings mehr in dem Bereich der Medizin zu verankern sind) und der gesamten Lebensdauer sind ein zu weites Feld, um sie in dieser Arbeit zu berücksichtigen. Es darf aber dennoch nicht vergessen werden, dass die körperlichen Folgen die psychischen Folgen begünstigen beziehungsweise in Zusammenhang stehen können.

Abschließend werde ich in Bezug auf das Vorangegangene Konsequenzen für die Arbeit mit Kindern in der frühen Kindheit ziehen.

II. Definition „Geburtstrauma“

Bevor das Geburtstrauma an sich definiert werden soll, wird zunächst einmal der allgemeine Begriff „Trauma“ näher betrachtet. Das in der deutschen Sprache häufig vorkommende Wort „Trauma“ stammt eigentlich aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „Wunde“. Dabei kann man sowohl die körperlichen als auch die psychischen und seelischen Verletzungen als die Folgen eines Traumas bezeichnen.
Ein traumatisches Ereignis tritt plötzlich ein und überfordert die eigenen Anpassungs- und Bewältigungsmöglichkeiten. Auch die Geburt kann als ein solches traumatisches Ereignis für das Kind angesehen werden. Nach der Betrachtung des Trauma-Begriffes lässt sich nun daraus folgern, dass ein Geburtstrauma ein Trauma, das heißt ein körperlicher, psychischer oder seelischer Schaden (bei Mutter oder Kind) ist, der während der Geburt entstanden ist.
Die Geburt ist für Mutter und Kind eine enorme Stresssituation, welche eine Vielzahl an unvorhersehbaren Komplikationen und Eingriffe mit sich bringen kann. Solche perinatalen Traumata prägen sich in das Nervensystem des Kindes, welches sich noch immer entwickelt, ein. Dadurch können spätere Verhaltensmuster beeinflusst und unsere Persönlichkeit geformt werden.

Anhand verschiedener Messmethoden hat Dr. William Emerson gezeigt, dass Geburtstraumata sehr häufig vorkommen. Durch seine Messungen hat er festgestellt, dass etwa 45 Prozent der Neugeborenen ein starkes Geburtstrauma haben, welches einer Behandlung bedarf. Bei weiteren 50 Prozent belegte er ein leichtes bis mäßiges Trauma, welches die Babys normalerweise ohne Behandlung selbst verarbeiten können.

Eine traumatische Geburt zu erleben, hängt sicherlich von dem individuellen und subjektiven Empfinden jeder Frau ab.
Auch für Kinder, die bisher eine individuelle und einzigartige Entwicklung im Mutterleib durchlebt haben, ist dieses Empfinden subjektiv und kann nicht für jedes Kind allgemein definiert werden. Dennoch gibt es einige Situationen während der Geburt, welche mit großer Wahrscheinlichkeit als traumatisch für das Kind eingeschätzt werden. Die Geburtstraumata können dabei auf vielfältige Weise entstehen und können durch viele Faktoren während der Geburt als Solches erlebt werden.
Allein das Schreien des Babys bei oder kurz nach der Geburt könnte dahingehend gedeutet werden.
Warum sollte ein Baby schreien, wenn es ihm gut geht und es gerade etwas Schönes erfahren und erlebt hat?
Von einigen Ärzten und Hebammen wird dieses Schreien häufig belächelt und sie deuten dies als Gesundheitsmerkmal und Kraftausdruck. Doch verbunden mit dem Gesichtsausdruck und dem körperlichen Zustand wird dies von vielen anderen Ärzten und Hebammen eher als ein Hilfeschrei interpretiert.

III. Perinatale Ursachen und Auslöser von Geburtstraumata

Im Folgenden werden nun die traumatischen Geburtsereignisse, welche zu einem Geburtstrauma führen können, beschrieben.
Zunächst einmal sollen die medizinischen Eingriffe genannt werden, welche die Ursachen für ein traumatisches Geburtserlebnis darstellen können. Eine Geburt an sich kann unterschiedlichste Komplikationen, wie beispielsweise Sauerstoffmangel und schlechte Herztöne des Babys, Steckenbleiben des Kindes oder auch Blutungen der Mutter, mit sich bringen, welche den Einsatz von medizinischen Hilfsmitteln notwendig machen. Zu nennen wären zum Beispiel Medikamente, welche wehenhemmend oder wehenfördernd sind. Weiterhin können ein (Not-)Kaiserschnitt mit Vollnarkose oder Epiduralanästhesie oder die Anwendung von Geburtszange oder Saugglocke den Geburtsverlauf wesentlich bestimmen und vorgeben. Die Auswahl dieser Mittel durch Ärzte und Hebammen beeinflussen die Geburt von außen und kann das Ungeborene von seinem Geburtsweg abbringen. In jedem Fall wird über das Baby entschieden und es kann einen Verlust seiner Kontrolle erleben.

Aber nicht nur die medizinischen Eingriffe in das Geburtsgeschehen können ein Geburtstrauma darstellen. Auch die Behandlung und das Erleben des Neugeborenen direkt nach der Geburt können traumatische Folgen haben. Als traumatisches Erlebnis anzuführen wäre beispielsweise das sofortige Durchschneiden der Nabelschnur, das Absaugen, sämtliche sofortige Untersuchungen, sowie das Messen und Wiegen direkt nach Geburt. Besonders traumatisch ist vor allem auch eine sofortige Trennung des Neugeborenen von der Mutter. Diesen Kontakt zur Mutter, der seit nun mehr neun Monaten ununterbrochen bestand, direkt nach der Geburt zu unterbrechen, beängstigt und verletzt das Neugeborene.
Aber auch das Verhalten der Mutter gegenüber dem Kind direkt nach der Geburt kann zu traumatischen Erfahrungen führen. Erlebt eine Frau eine für sie traumatische Geburt und fühlt sich dafür schuldig, dass sie nicht in der Lage war ihr Kind auf „normale“ Weise und ohne medizinische Eingriffe zur Welt zu bringen, kann dies ihre Gefühle gegenüber dem Kind negativ beeinflussen.

IV. Symptome und Folgen von Geburtstraumata

Die Symptome und Folgen, welche ein Geburtstrauma mit sich bringen kann, sind sehr vielfältig. Problematisch hierbei ist, dass solche Symptome manchmal von Ärzten und Eltern als normal empfunden werden, obwohl diese eigentlich die Folgen eines Geburtstraumas sind.
Wie die Experten der pränatalen Psychotherapie festgestellt haben, sind Schwangerschaft, Geburt und Kleinkindzeit eine Einheit.13 Zwar ist das bewusste Gedächtnis der Menschen meist erst ab dem zweiten bis dritten Lebensjahr mit dem Beginn der Sprache entwickelt und Erinnerungen an die Kindheit erst ab diesem Zeitpunkt möglich, doch die Erinnerungen der Schwangerschaft, Geburt und der ersten beiden Lebensjahre werden bereits im Unbewussten abgelegt. Wie die Forscher allmählich feststellen sind solche frühen Erinnerungen im Körper gespeichert und lassen sich über bestimmte Verhaltens- und Erinnerungsmuster wiedererinnern und abrufen.

Daher können schwierige Verhaltensweisen in der postnatalen Phase als Folgen einer schwierigen Geburt gesehen werden. Die perinatalen Traumata können dabei die Grundlage für das Verhalten in ähnlich erlebten Situationen im späteren Leben bilden.
In der postnatalen Phase können beispielsweise Probleme beim Stillen, Unruhe oder Schlafschwierigkeiten von Säuglingen auf traumatische Geburten zurückgeführt werden. In der frühen Kindheit und Entwicklung viel bedeutender allerdings sind die folgenden vier Aspekte der emotionalen und psychischen Entwicklung des Kindes, welche durch ein Geburtstrauma ausgelöst werden können. Anhand dieser Entwicklungsaspekte sollen im Folgenden beispielhaft dargestellt werden, wie sich eine traumatische Geburt auf das Kind auswirken kann.

a. Schreibabysyndrom Viele Babys weinen und schreien sehr exzessiv. Durch das häufige lange Schreien werden diese Kinder oft als Schreibabys stigmatisiert. Das Schreien dieser Säuglinge, das weder nach Befriedigung von Hunger oder sonstigen Bedürfnissen ausgerichtet ist, muss dabei die sogenannte Dreier-Regel erfüllen. Das bedeutet, dass das Kind über drei Wochen lang an mindestens drei Tagen in der Woche mehr als drei Stunden schreit. Aber auch wenn Babys weniger als diese definierte Zeit schreien, ist dies oft ein Anzeichen für ein Unwohlsein des Babys. Denn gesunde Babys schreien täglich normalerweise nur für kurze Zeit, um ihre Bedürfnisse auszudrücken und auf sich aufmerksam zu machen. Für das sogenannte Schreibabysyndrom gibt es einige Theorien, welche versuchen die Ursachen zu erklären.
Die pränatale Psychotherapie hat festgestellt, dass unter anderem ein Zusammenhang zwischen einem Geburtstrauma und dem heftigem Schreien eines Babys in den ersten Lebensmonaten bestehen kann.16 Dabei dient das Schreien, welches zunächst das einzige Kommunikationsmittel ist, als Ausdruck von Empfindungen, Bedürfnissen oder Gefühlen. Die Babys, welche sich noch nicht sprachlich äußern können, drücken ihr Empfinden, ihre Gefühle und Emotionen körperlich aus.
Geht es dem Baby nicht darum Bedürfnisse wie Hunger oder Nähe zu offenbaren, sondern darum durch das Schreien möglicherweise Stress und Spannungen abzubauen, kann dies auf ein Geburtstrauma zurückgeführt werden. Die Babys nutzen dabei das Weinen und Schreien, um Stress, welcher beispielsweise bei einer Geburt erfahren wurde und sich in Körper und Seele eingeprägt hat, zu reduzieren und auszudrücken. Auch ein Schreien in Situationen, welche geburtsähnlich sind, in welchen etwa Enge, Gedrückt oder Gequetscht zu werden erfahren wird, kann die Geburtserinnerung wieder abrufen. Aber auch Ereignisse, bei welchen ähnlicher Stress oder Schmerz wie bei der Geburt empfunden wird, können die Geburtserinnerung und die damit verbundenen Gefühle aufwecken.
Die Babys, welche eine traumatische Geburt erlebt haben und dies durch das Schreien und Weinen zu kompensieren versuchen, zeigen dauerhaft ein erregtes sympathisches Nervensystem und einen erhöhten Stresshormonspiegel an. Das Schreien dient dazu dieses Ungleichgewicht auszugleichen.

b. Erinnerungen und Ausdruck im Verhalten Da die Geburt ein Übergang vom pränatalen zum postnatalen Leben darstellt, wird dieser Übergang mit bestimmten Erfahrungen gespeichert. Das Geburtsereignis stellt für die Babys eine ungeheure Herausforderung dar. Das Kind muss sich anstrengen, den richtigen Weg finden, sich durch den Geburtskanal durcharbeiten und sich selbst befreien.19 Diese Erfahrungen prägen sich als Basismuster für solche Ereignisse ein und werden bei ähnlichen Situationen im späteren Leben abgerufen. Schwierige Situationen, Probleme oder Übergangssituationen können dann die Geburtserinnerung erwecken und das eingeprägte Lösungsmuster in Erinnerung rufen. Je nach Geburtserfahrung kann dieses Lösungsmuster beziehungsweise Bewältigungsstrategie durch medizinische und ärztliche Eingriffe während der Geburt beeinflusst worden sein.
Deshalb können auch diverse Handlungs- und Verhaltensmuster in der frühen Kindheit mit Geburtstraumata in Verbindung gebracht werden. Die Erfahrung und das Erleben der Geburt werden in bestimmten ähnlichen Situationen körperlich erinnert und äußern sich im Verhalten der Kinder. Die erfahrenen Traumata treten dann „in verdeckter Form auf“.

Die Kinder, welche ihre Geburt als ein traumatisches Ereignis erlebt, als Solches verinnerlicht haben und während dieser Zeit mit Gefühlen wie Angst, Panik, Wut und Ohnmacht konfrontiert waren, werden häufig schnell wieder in solche Gefühlszustände versetzt. Das Unbewusste des Geburtserlebnisses, sei es die Erfahrung, die Gefühle oder sonstige Zustände, ist demnach immer präsent, gegenwärtig in uns und kann jederzeit abgerufen und übertragen werden.21 Beispielsweise gibt es oft Kinder, welche ständig die Kontrolle behalten wollen und sich nicht von außen beeinflussen lassen. Solche Verhaltensweisen könnten auf eine Geburt mit Narkose oder andere medizinische Eingriffe, wie Saugglocke oder Zange, zurückzuführen sein. Schon in dieser Situation hat das Kind einen Kontrollverlust erlitten und wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Baby konnte nicht entscheiden, sondern musste die Situation hinnehmen. Folglich tut das Kind nun alles, um dieses traumatische Erlebnis zu meiden. Die Kontrolle behalten und selbst Entscheidungen treffen zu wollen, können Folgen dieses Geburtstraumas sein.22 Aber auch ein völlig gegensätzliches Verhalten kann auf eine solche Geburt, Narkose oder Einsatz von medizinischen Hilfsmitteln zurückzuführen sein. Durch den Kontrollverlust und das Gefühl es nicht alleine geschafft zu haben, kann das Kind dieses Gefühl in ähnlichen Situationen wiedererinnern und sich daran orientieren. Das Kind kann sich oft hilflos fühlen und ständig auf die Hilfe von Anderen angewiesen sein, da es sich nicht traut, etwas alleine zu schaffen.

Aber auch Kinder mit anderen auffälligen psychischen oder emotionalen Verhaltensweisen, wie beispielsweise sehr zornige und wütende Kinder, haben vielleicht eine traumatische Geburt erlebt und sind dadurch geprägt. Eine schwere Geburt kann bei den Babys zum Beispiel ein Gefühl der Wut und des Zorns ausgelöst haben, welches sich als emotionale Folge ergeben kann, da es sich als Emotionsmuster eingeprägt hat.
Weiterhin sind auch viele Ausdrucksformen in der frühen Kindheit, beispielsweise im Spiel, auf Geburtstraumata zurückzuführen. Das Geburtserlebnis bleibt unbewusst im Körper gespeichert und kann sich nun ohne das Bewusstsein des Vorhandenseins eines Geburtstraumas durch die sprachliche Ebene ausdrücken.

In Situationen, welche die Geburt symbolisch repräsentieren, zum Beispiel eine Höhle als Mutterleib, ein Tunnel als Geburtsweg oder eine schwierige Aufgabe als Geburt, können solche Einprägungen die sprachlichen Äußerungen beeinflussen. So kann beispielsweise ein „Ich komme nicht weiter...“ auf ein Steckenbleiben während der Geburt oder ein „Ich schaffe es nicht allein, ich brauche Hilfe...“ auf eine Zangen- oder Saugglockengeburt hinweisen.24 Bestimmte Dinge oder Materialien stehen dabei eventuell symbolisch für Details bei der Geburt. Ein Seil beispielsweise kann als Symbol für die Nabelschnur stehen. Es sind nun viele Spielweisen mit diesem Material möglich. Während das eine Kind das Seil als Gefahr sieht, wie bei der Geburt als sich die Nabelschnur um dessen Hals gewickelt und für Sauerstoffnot gesorgt hat, kann bei einem anderen Kind das Seil als Sicherheitssymbol stehen, da es die Nabelschnur als einzig sichere Bindung zur Mutter während der Geburt repräsentiert.

Doch nicht nur im Verhalten werden solche Geburtserinnerungen sichtbar. Auch in unbewussten Handlungen, wie beispielsweise dem Träumen, kann die Geburt wieder erinnert werden. Kinder mit Geburtstraumata leiden vielmals an Albträumen. In ihren Albträumen sind sie häufig symbolhaft in Situationen verwickelt, in welchen sie bei der Geburt erlebte Gefühle und Empfindungen unbewusst wiedererinnern. Träumen Kinder beispielsweise häufig vom Ertrinken, Ersticken, Steckenbleiben, Gewürgt oder Gequetscht zu werden, kann dies auf eine traumatische Geburt hindeuten, in welcher die Babys zum Beispiel im Geburtskanal steckengeblieben sind, die Nabelschnur um den Hals gewickelt war und sie unter Sauerstoffmangel litten.25 Solche Albträume können Kinder emotional und psychisch sehr belasten.

c. Kinderängste und Empfindlichkeiten Kinder in den ersten Lebensjahren zeigen nicht selten verschiedene Ängste in ihrem Verhalten. Diese sogenannten Kinderängste, wie zum Beispiel Dunkelangst, Angst vor dem Eingeschlossen-Sein oder Trennungsangst, können ihren Ursprung in einer traumatischen Geburtserfahrung haben. Die Ängste der Kinder können dabei unbewusst die ursprüngliche Angst, welche sie während ihrer Geburt erlebt und erfahren haben, wiederspiegeln.

So kann beispielsweise die Trennungsangst von Kindern unter anderem auf ein Geburtstrauma zurückgeführt werden. Wurden die Neugeborenen zum Beispiel unmittelbar nach der Geburt von ihren Müttern getrennt, wird diese Erfahrung mit durchweg negativen Gefühlen gespeichert. Die Beziehung zur Mutter und die über neun Monate konstante Bindung zur Mutter wird für das Kind plötzlich und unerwartet unterbrochen und lässt das Neugeborene mit Gefühlen wie Einsamkeit und Verlassenheit auf der Welt ankommen. Tritt nun in der frühen Kindheit eine ähnliche Trennungssituation auf, können die eingeprägten Gefühle des Alleinseins und des Verlassen Werdens unbewusst erinnert werden und eine Angst im Kind hervorrufen, welcher der Angst der Trennung bei der Geburt entspricht.

Besonders schwierig kann sich bei solchen Kindern auch der Übergang in die Kinderkrippe beziehungsweise Kindertagesstätte (Kita) gestalten. Hat das Kind als Neugeborenes die direkte Trennung von der Mutter erfahren und wurde nicht einfühlsam und feinfühlig auf der Welt willkommen geheißen, so kann diese Übergangs- und Trennungssituation eben diese Gefühle und Erinnerungen wecken. Das Kind wird gegen die Trennung von der Mutter und das Alleinelassen rebellieren, was eine Eingewöhnung in der Kita sehr schwer machen kann. Weiterhin treten besonders Berührungsempfindlichkeiten bei Kindern mit Geburtstraumata sehr häufig auf. Es gibt einige Kinder, welche zum Beispiel im Halsbereich sehr empfindlich sind und auf Berührungen in dieser Gegend heftig reagieren. Auffallend ist dies, wenn man den Kindern beispielsweise ein Tuch oder einen Schal anziehen möchte. Sie reagieren dann äußerst rebellisch und wehren sich. Diese Empfindlichkeit könnte sich aus einem Geburtstrauma heraus entwickelt haben. Grund dafür könnte eventuell die Nabelschnur sein, welche um den Hals des Kindes gewickelt war, und zu Atemnot und Erstickungsangst geführt hat. Aber auch ein stärkeres Zupacken und Ziehen der Ärzte oder Hebammen während der Geburt in Halsgegend kann Auslöser sein. Solche Berührungsempfindlichkeiten können durch das Geburtstrauma entstehen und werden in entsprechenden Situationen erinnert.

d. Störung der Mutter-Kind-Bindung Die Geburt mit ihren möglichen Komplikationen kann auf vielfältige Weise den Prozess der Mutter-Kind-Bindung beeinflussen. Zum einen ist die Geburt als enorme Stresssituation für das Kind ein Moment der hormonalen Überflutung. Während der Geburt werden im kindlichen Körper sämtliche Hormone produziert, um den Stress und die ungewohnte Situation zu kompensieren. Dabei gerät der Hormonkreislauf des Kindes durcheinander und Körper und Geist werden gedämpft und sind vom Stress erschöpft, was zu einer Verminderung der Quantität und Qualität der Bindungsfähigkeit führen kann. Wird das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt von der Mutter auf Grund von Untersuchungen, Tests, Wiegen, Messen oder Erkrankungen des Kindes oder der Mutter getrennt, wirkt sich dies weiterhin negativ auf den Hormonhaushalt des Kindes aus. Forschungen haben ergeben, dass der Spiegel des Stresshormons Kortisol besser und schneller reguliert wird, wenn der frühe Kontakt zwischen Mutter und Kind besteht. Unterbleibt der Kontakt, bleibt das Kortisol für längere Zeit im Körper und das Neugeborene steht quasi unter Stress. Zum anderen kann die direkte Trennung nach der Geburt aber auch zu weiteren Traumatisierungen des Kindes führen, welche sich als Muster einprägen. Das Neugeborene, welches über neun Monate hinweg eine kontinuierliche Beziehung zur Mutter hatte, wird nun von ein auf den anderen Moment vollkommen von der Mutter entfernt. Dass diese Situation mit Verlassenheitsgefühlen und Einsamkeit begleitet wird, lässt sich nicht leugnen. Solche Gefühle in frühesten Momenten sind mit großer Wahrscheinlichkeit Ursache einer verminderten Beziehungsfähigkeit. Ebenfalls traumatisch ist das Nicht-Erkennen solcher Traumatisierungen der Neugeborenen.
Wird nicht entsprechend auf das jeweilige Trauma reagiert, können sich solche verstärken und ihren negativen Einfluss auf die Bindungsfähigkeit verstärken.

Zudem unterbleibt mit der sofortigen Trennung des Kindes von der Mutter auch das Stillen, welches ein wichtiges Bindungserlebnis darstellt. Herausgefunden hat man auch, dass Babys, welche den emotionalen Kontakt zur Mutter direkt nach der Geburt nicht erleben durften, in ihrer ersten Lebenszeit viel weniger lachten und mehr weinten. Auch dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig der erste Kontakt zur Mutter nach der Geburt für eine gute und gesunde psychische und emotionale Entwicklung des Kindes ist. Weiterhin kann auch eine Narkose oder Medikamenteneinnahme der Mutter die frühe Bindung zwischen Mutter und Kind beeinflussen. Bekommt die Mutter beispielsweise eine Narkose, so gelangt auch ein Teil dieser durch die durchlässige Plazentaschranke in den Organismus des Kindes. Dies führt zu einer Betäubung des Kindes und kann einen Verlust des Kontakts zur Mutter bewirken, was wiederum Auswirkungen auf den Bindungsprozess hat. Denn gerade der enge Kontakt zur Mutter in der Bindungsphase nach der Geburt fördert die Bindung und prägt die Qualität der Mutter-Kind- Beziehung. Die Auswirkungen einer gestörten beziehungsweise unsicheren Mutter-Kind-Bindung, welche in den Ausführungen von Mary Ainsworth beschrieben werden, decken eine große Auswahl an auffälligen Verhaltensweisen. Besonders auf den Zusammenhang von aggressivem, gewaltsamem Verhalten und frühe Störungen der Bindung wird häufig hingewiesen.

V. Konsequenzen für die Arbeit mit Kindern

Für die Arbeit mit Kindern in der frühen Kindheit ist dieses Wissen von großer Bedeutung. Es ist wichtig, dass man das Verhalten eines Kindes, sei es noch so auffällig oder unerklärlich, nicht direkt bestraft und sich abwendet. Im Gegenteil, man sollte jedem Verhalten von Kindern eine Bedeutung und einen Sinn unterstellen. So kann ein scheinbar sinnloses Verhalten seine Wurzeln in einem entstandenen Geburtstrauma haben.

Um das Verhalten oder Persönlichkeitsmerkmale von Kindern mit Geburtstrauma richtig interpretieren zu können, bedarf es einem Hintergrundwissen. Diese Informationen über Schwangerschaft und Geburt sollten daher beispielsweise im Anamnesegespräch zur Aufnahme in den Kindergarten erfragt und schriftlich festgehalten werden. Es ist sicherlich nicht möglich jedes Detail der Geburt zu erfragen, häufig erinnert sich die Mutter auch nicht mehr an Alles. Dennoch sollte versucht werden, möglichst viele Details zu sammeln, um dem Verhalten des Kindes die richtige Bedeutung zuschreiben zu können. Vor allem Gefühle und Erfahrungen, die das Kind während seiner Geburt erlebt hat, können unbewusst erinnert und ins bewusste Spiel übertragen werden. Gerade diese Spiele müssen dann als solche Respekt und Anerkennung bekommen, damit dem Kind eine Möglichkeit zur Verarbeitung des Geburtstraumas gegeben wird.
Besonders das Spiel hat im Umgang mit Kindern eine große Bedeutung. Dabei bietet zum Beispiel die Psychomotorik eine gute Grundlage. Das Spiel in der Psychomotorik lässt den Kindern den Freiraum sich zu experimentieren, sich zu entfalten und sich nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu bewegen. Gerade hierbei können verschiedene Situationen entstehen, in welchen Geburtstrauma erinnert, wiedererlebt und verarbeitet werden können. Vor allem Spiele mit Höhlen, Tunneln und Seilen können, wie oben erwähnt, hierbei symbolisch für das Geburtserlebnis stehen, da dadurch der Mutterleib, der Geburtsweg und die Nabelschnur repräsentiert werden können. Die Kinder in diesem Spiel einfühlsam zu begleiten, ihnen Respekt und Anerkennung für ihr Spiel zu verleihen, ist von großer Bedeutung.

VI. Fazit

Die Tatsache, dass Babys ihre Geburt erinnern können und sich dieses Erlebnis in deren Gehirnstruktur und den Verschaltungen und Verknüpfungen einprägt, ist ein Phänomen, das in den letzten Jahrzehnten immer mehr erforscht und erkannt wurde. Zwar hat Otto Rank schon im Jahre 1924 sein Buch „Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse“ veröffentlicht und damit das Geburtstrauma öffentlich gemacht, doch fand es bis dahin weniger Anerkennung. Erst in den letzten Jahrzehnten nach vielen weiteren Forschungsergebnissen und Erkenntnissen aus Therapien, in welchen Patienten sich an ihre Geburt erinnern konnten, bekommt dieses Phänomen langsam Anerkennung. Es kristallisiert sich heraus, dass besonders die Geburt – also der Übergang vom intrauterinen zum extrauterinen Leben- von großer Bedeutung ist. Diese Erfahrung prägt den Menschen, kann die psychische und emotionale Entwicklung beeinflussen und damit „lebenslange Probleme auslösen“34. Obwohl dieses Ereignis einen so weitreichenden Einfluss nehmen kann, ist das Wissen um dieses Trauma und dessen Folgen bisher kaum verbreitet. Auch die Forschung in diesem Bereich ist sicherlich noch nicht am Ende angelangt und kann den Einfluss des traumatischen Geburtsereignisses weiterhin untersuchen und erforschen, um ein tieferes Verständnis zu erhalten und weitere Zusammenhänge herstellen zu können. Aber auch mit dem Wissen, dass ein Geburtstrauma später psychische und emotionale Folgen haben kann, darf dennoch nicht vergessen werden, dass ein solches Geburtstrauma manchmal unumgänglich ist. Medizinische Komplikationen lassen sich leider nicht immer vermeiden und müssen, um das Leben der Mutter und des Kindes nicht zu gefährden, eventuell mit medizinischen Eingriffen oder Hilfsmitteln, wie Kaiserschnitt, Zange oder Saugglocke, aufgelöst werden. Dennoch sollte man dann das Wissen nutzen und dem Kind die Situation so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch bei einem Einsatz eines medizinischen Hilfsmittels, kann das Ankommen nach der Geburt für das Kind dennoch so gestaltet werden, dass das Geburtstrauma in den Hintergrund tritt, da das Baby durch erste positive Erfahrungen und Gefühle überwältigt wird.

Vor allem durch Frédérick Leboyer, französischer Frauenarzt und langjähriger Geburtshelfer in einer Pariser Klinik, der in den 70er Jahren sein Buch „Geburt ohne Gewalt“ veröffentlichte, kam die Bewegung hin zur „sanften Geburt“ auf. Er stellt das Kind während des Geburtsprozesses besonders in Vordergrund und versucht ihm den Weg auf die Welt so angenehm wie möglich zu gestalten. Aber auch die Mutter und die Beziehung zu ihrem Kind spielt bei dieser Geburtsform eine wichtige Rolle.

Erlebt ein Kind dennoch eine traumatische Geburt darf man aber zudem nicht vergessen, dass nur ein Geburtstrauma allein sicherlich nicht der einzige Faktor sein muss, welcher die weitere psychische und emotionale Entwicklung bestimmt. Besonders bedeutend ist auch, wie das Neugeborene aufgenommen wird, ob und welche Möglichkeiten dem Kind zur Verarbeitung gegeben werden und vor allem auch welche weiteren Erfahrungen das Kind in seiner frühen Kindheit macht. Wird das Geburtstrauma durch weitere traumatische Erfahrungen verstärkt, wird dieses sodann mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem ernstzunehmenden psychischen oder emotionalen Problem führen. Wächst das Kind aber in einem sicheren, liebevollen und behüteten Umfeld auf, so hat es große Chancen sein Geburtstrauma schnell zu verarbeiten, ohne dass es sich langfristig auf dessen Entwicklung auswirkt.

Da all diese Faktoren eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Kindes spielen, ist es eine wichtige Aufgabe, dieses Wissen an werdende Mütter und Väter zu vermitteln. Man sollte (werdende) Eltern über die Bedeutung eines Geburtstraumas, das Entstehen dieses und den Umgang mit diesem aufklären. Besonders wichtig wird es sein, in Zeiten von sehr hohen Kaiserschnittraten, Müttern, welche sich eine schmerzfreie Geburt wünschen, mögliche Gefahren für das Kind bei einem solchen Eingriff zu erklären. Aber auch bei jeglichen anderen Hilfsmitteln sollte den Müttern klar sein, dass diese zu einer Traumatisierung des Kindes führen könnten.

Damit verbunden sollte man Eltern aber weiterhin aufklären, welche Folgen ein Geburtstrauma haben kann und dass es heutzutage einige Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten gibt. Diese sollen angewendet werden, falls sich ein Geburtstrauma tief in das Erleben des Kindes eingeprägt und in früher Kindheit in großem Maße das Verhalten und die Persönlichkeitsentwicklung beeinflusst.

Wichtig ist zunächst einmal sich überhaupt Hilfe zu suchen, um dann die richtige Behandlung für sich und sein Kind zu finden, damit das Kind die Möglichkeit bekommt das Geburtstrauma zu verarbeiten. Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten könnten beispielsweise die sogenannte Emotionale erste Hilfe oder die Hilfe in einer Schreibaby-Ambulanz sein, bei welchen die Krisenarbeit mit Eltern und Babys im Vordergrund steht. Aber auch die Babymassage, die Familientherapie, die Festhaltetherapie oder die Craniosacrale Osteopathie sind auf solche Fälle spezialisiert und entwickelt worden und können zur Linderung des Traumas beitragen.

Neben solchen Therapie- und Behandlungsformen ist aber wohl einer der bedeutendsten Faktoren zur Verarbeitung des Traumas die Eltern-Kind-Beziehung. Vor allem die Eltern müssen das Kind unterstützen das Geburtstrauma zu bewältigen. Dies kann nur durch eine gute und vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung geschehen.

Bedeutsam hierfür sind Mitgefühl, Vertrauen, körperliche Nähe und natürlich Anerkennung und Liebe.

Quelle: Rückhalt.de, Verfasserin: Sonja Emge

Last modified onSunday, 09 July 2017 08:50

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