PANDEMIAN RHAPSODIE - Die 77. Filmfestspiele Vendig
- Written by Gerry Jochum
- Published in UNTERHALTUNG
Lockdown Jahr 2020 und die 77. Filmfestspiele Vendig - Ein Aus,- und Rückblick von Gerry Jochum
Wie könnten Film Festivals in Zeiten während oder nach einer Pandemie in Zukunft aussehen? Und welche Auswirkungen, könnte das langfristig auf kulturelle Veranstaltungen im Allgemeinen haben? Venedig zumindest ist im COVID-19 Pandemie Jahr 2020 einen mutigen Schritt gegangen, indem es das traditionsreiche Festival physisch hat stattfinden lassen und somit als Rolemodel für alle ähnlich gelagerten Events gelten kann.
Zwar gab es in diesem Jahr nicht das gewohnt ausufernde Schaulaufen, der Hollywood Stars, dennoch, war das Programm, voller zu entdeckender Produktionem, von Indielieblingen, über potentielle Filmaward Pretiosen, bis hin zu grenzüberschreitenden Arthouse Juwelen. Und, ein Novum am Lido, waren 44 %, der Filme im Kampf um den goldenen Löwen, von Frauen gedreht. Sie verzeichneten somit einen Anstieg von fast 10 %, gemessen am Vorjahr.
KATE BLANCHETT, welche noch vor ein paar Jahren in Cannes eine Protestkundgebung für Geschlechterparität im Film anführte, war in diesem Jahr passenderweise zur Präsidentin der Jury berufen. Aus allen bekannten Gründen, wurde es dem Publikum jedoch nicht leicht gemacht, die begehrten Plätze in den Kinos einzunehmen.
Eine hohe Polizei und Security Präsenz verlangte bis zu vier Kontrollen, um überhaupt in die Nähe des Festivalgeländes gelangen zu können.
Zudem, wurden vor dem Betreten von Gebäuden, neben der Mastenpflicht, auch Fiebermessungen vorgenommen. Dennoch, waren die Filmvorführungen, den Regeln entsprechend, mehr als ausgelastet. Wer den Hindernisparcours überstanden und in einer der unter anderem auch neuen Openair Spielstätten Platz genommen hatte, konnte sich über ein zwar gemessen an den Vorjahren eher eingedampftes, dafür aber umso konzentrierteres Filmvergnügen einstellen.
Allen voran, der inzwischen große Oscar Abräumer NOMADLAND. CHLOR ZHAOS gegenwartsbezogenes Roadmovie, mit Frances McDormand in der Hauptrolle, die sich, nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch ihrer Stadt, in einem Wohnmobil hausend, auf eine epische Reise durch den amerikanischen Westen und der Suche nach Arbeit begibt. In teilweise halluzinatorischen Bildern, erzählt der Film eine bewegende Auseinandersetzung, mit der Prekarität moderner Lebensumstände.
In PIECES OF A WOMAN, steht VANESSA KIRBY im Mittelpunkt einer bewegenden Studie über eine trauernde Mutter, deren Leben nach einer fehlgeschlagenen Hausgeburt einen tragischen Lauf nimmt.
Ebenfalls mit Spannung erwartet war DANIELE LUCHETTIS verstörendes Familiendrama, LACCI, welches als erster italienischer Film seit über zehn Jahren, das Festival eröffnet hatte. In den Hauptrollen, glänzten ALBA ROHRWACHER und LUIGI LO CASCIO, durch die einfühlsame Darstellung einer Ehe in der Krise, inklusive Lügen Erpressung und einer unerwarteten Wendung.
Auch erwähnenswert, THE WORLD TO COME, der norwegischen Regisseurin Mona Fastvold, einem akribisch gearbeiteten Grenz-Drama. Im Amerika des 19. Jahrhunderts, verlieben sich zwei Farmerinnen ineinander, um zumindest für wenige Stunden ihr entbehrungsreiches Leben hinter sich lassen zu können, während die lyrischen Landschaften deren Gefühl von Isolation und Langeweile nur noch verstärken. Zur Star-Besetzung gehören Katherine Waterston, Vanessa Kirby, Casey Affleck und Christopher Abbott.
Enttäuschend dagegen, der deutsche Beitrag UND MORGEN DIE GANZE WELT, der Bonner Regisseurin Julia von Heinz, über eine Gruppe von Antifa Aktivisten die in ihrer Agitation gegen Rechts zunehmend auch Gewalt als Mittel zu akzeptieren beginnt. Leider entwickelt der Film in seinem durchaus berechtigten Ansinnen kaum richtige Charaktere. Die rechte Szene verkommt dabei zur bloßen Chiffre aus schwarz gekleideten, böse lachenden Männern womit die Handlung allzu oft nicht über jene Klischees hinauskommt, vorgeblich zu kritisieren sein sollten und die Gewaltfrage bleibt nebulös auf einer emotionalen Ebene.
Letztlich jedoch war die MOSTRA DEL CINEMA weit mehr als der Versuch in schwierigen Zeiten die Menschen über das Medium Film als anwesendes Publikum zu erreichen.
Somit bleibt zu hoffen, dass in diesem Herbst die 78. Ausgabe des Festivals, nicht nur in angenehmem Ambiente, bei Sonnenschein und großen und kleinen Film Highlights, sondern auch wieder in der Freiheit, Nähe und Unbeschwertheit vergangener Jahre stattfinden wird. G.Jochum