KEIN JOKER IM ÄRMEL - Die 81. Internationalen Filmfestspiele Venedig
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KEIN JOKER IM ÄRMEL - Die 81. Internationalen Filmfestspiele Venedig
Von G.Jochum
Das Ritual ist immer das gleiche. Von den Dolomiten kommend, fahre ich in die italienische Tiefebene. Die Luft wird samtig, die Farben ändern sich, weg vom grauen Granit zerklüfterter Felsen, hin zu blühenden Wiesen im beginnenden Herbstlicht
Dann Dörfer und Kleinstädte.
Kreisverkehr, statt Ampeln. Gefühlt alle 100m. Stop and go, bis zu der großen Autobrücke, die übers Wasser nach Venedig führt. Zur Piazzale Roma. Danach geht nichts mehr. Zumindest für den Autoverkehr.
Die Brücke zügig in Vorfreude auf das kommende zu überqueren, ist tückisch.
Sie hat mich vor ein paar Jahren 250 € gekostet. Wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von
1 km/h.
Seitdem, fahre ich so langsam, dass die Italiener sich an die Stirn tippen, wenn sie hupend, überholen. Mir egal. Ich biege ab zur Autofähre.
Am Lido di Venezia angekommen, herrscht schon geschäftiges Treiben.
Bereits jetzt versammeln sich größere Pinguingruppen, also Herren im Smoking, paradierend vorm noch unbeleuchteten FestivalPalast, entlang der Strandpromenade. Aufgerüscht, in fliederleichte aber teure Stoffe gehüllt, die weiblichen Begleiterinnen. Erste Selfies vorm Hotel Excelsior. Die Damen schürzen die gespritzten Lippen, rücken die silikongestützten Aufbauten in Stellung und posieren. Drunten bei der Lagune, schaukelt, im Kontrast dazu, friedlich die EDIPO RES, ein kleines Segelboot, mit Kajütenaufbau und genügend Platz für Schlaf und bescheidenem Wohnraum im Bauch.
Vor 10 Jahren tauchte ein Pärchen an ebendieser Stelle auf, lichtete den Anker und stellte ein paar Tische ans Ufer.
Heute ist daraus ein mittelgroßes Unternehmen geworden.
Mit Restaurantcontainern, Fressbuden, Bars, Liegestühlen und Entertainment.
Längst kein Geheimtipp mehr für entspanntes chillen, abseits des Festivals.
Noch aber ist es still. Nur kreischende Möven und das rhythmische Plätschern der Meereswellen die den Bug umspielen.
Es ist gerade 15.00. Fünf Stunden noch bis zur Eröffnungsgala und der ersten Filmpremiere:
Nach 36 Jahren mit "Beetlejuice Beetlejuice" vom US-amerikanischen Regisseur Tim Burton. 1988 erschien der erste Teil der bizarren Fantasy-Horrorkomödie und wurde ein Erfolg, der Burton in die Top-Riege der Hollywood-Regisseure katapultierte - der Film hat bis heute Fans, die sich auf heiß ersehnte Fortsetzung freuen. Burton konnte für die Hauptrollen wieder Winona Ryder und Michael Keaton gewinnen. Neu dazugekommen sind Jenna Ortega, Willem Dafoe und die italienische Diva Monica Bellucci.
Auch in diesem Jahr brilliert das Filmfest wieder mit hoher Promi-Dichte:
Angelina Jolie, Lady Gaga, Daniel Craig, Nicole Kidman, Julianne Moore, Brad Pitt, George Clooney, unter anderen.
2023 waren die Schauspieler aus Hollywood ferngeblieben. Die Streiks für höhere Löhne und Regeln für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Filmbranche waren dringlicher.
Dieses Jahr, dagegen, standen zwei Personen, die den Goldenen Löwen als Ehrenpreis für ihr Lebenswerk erhalten würden, schon im Vorfeld fest: Der australische Regisseur Peter Weir (unter anderem "Picknick am Valentinstag" und "Der Club der toten Dichter") und die US-amerikanische Schauspielerin Sigourney Weaver ("Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt").
Entspechend pompös, dann auch die Verleihung am Ende.
Dazwischen gab es etliche Entdeckungen, zu machen, die sich partiell als Meisterwerke entpuppten und halfen über die größte Enttäuschung des Festivals hinwegzukommen. Ausgerechnet JOKER Teil 2, heiss erwartet und hoch gehandelt, entpuppte sich als ein unausgegorenes Konglomerat aus unlogischen Handlungsversatzstücken mit Musicaleinlagen, die wohl der Mitwirkung von Lady Gaga zu schulden waren.
Da tat es gut, gegen Ende, die wie immer großartige Kunstbiennale zu besuchen, darauf einen Espresso im Caffè Florian am Markusplatz zu nehmen und sich ganz langsam über die Autobrücke fahrend zu verabschieden.
G.Jochum