Venedig: NACH DEM SPIEL IST VOR DEM SPIEL
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NACH DEM SPIEL IST VOR DEM SPIEL
Die Filmfestspiele von Venedig
Ein Rückblick von GERRY JOCHUM
Was von Fußball bis Schach, für alle Arten von sportlichen Wettkämpfen gilt, hat auch für traditionell wiederkehrende Ereignisse, seine Gültigkeit.Somit auch für Festivals, unter besonderer Berücksichtigung denen des Films.
Ende August, wenn die Zugvögel langsam in ihre Winterquartiere aufbrechen, in Italien aber der Sommer noch andauert, kehren Filmschaffende aller Couleur zurück in die Lagunenstadt, um internationale Kinoproduktion zu sichten, beurteilen und zu feiern. Die großen Namen, Stars, Journalisten und Fotografen, Produzenten, Entourage und jene, welche das Geschehen auf der großen Leinwand einfach nur lieben und zu würdigen wissen.
Damit wären wir noch einmal in Venedig vor nunmehr 10 Monaten. Wie verwundbar wir eigentlich sind und wie wichtig es ist, unabhängig von Nationalität, Geschlecht und politischer Gesinnung, nicht nur in Zeiten der Unsicherheit und Bedrohung zusammen zu stehen, das alles lag unausgesprochen in der Luft und brauchte nicht benannt zu werden.
Natürlich wurden, wie in den Jahren davor, neben den wichtigen, italienischen Streifen auch wieder eine lange Liste an internationalen Produktionen gezeigt - Hollywood-Stars auf dem roten Teppich inklusive.
Cate Blanchet, Preis für das Lebenswerk
Dieses Jahr hatte Alberto Barbera aber noch einmal einen drauf gelegt und mehrere Hollywood-Filme im Wettbewerb platziert. Und nicht allein das. Der Leiter des ältesten Filmfestivals der Welt setzt auch immer mehr auf die Streamingdienste. Eröffnet werden die Filmfestspiele beispielsweise mit der Netflix-Produktion WEISSES RAUSCHEN. Die Hauptrollen spielen Adam Driver und Greta Gerwig.
Der Film, der auf einem Roman von Don DeLillo basiert, erzählt von einer Familie im Mittleren Westen, deren Alltag über den Haufen geworfen wird, als in ihrer Heimatstadt ein Chemieunfall passiert.
Somit war bereits angedeutet, dass man sich im Allgemeinen schwerpunktmäßig auf Gesellschaft und Umwelt konzentrieren würde.
Angefangen vom Eröffnungsfilm, bis zum Gewinner ALL THE BEAUTY AND THE BLOODSHED. Überraschenderweise und äußerst selten ein Dokumentarfilm, welcher die Ursachen der Opioidkrise in Amerika behandelt und den Kampf der Künstlerin Nan Goldin gegen den Sackler Clan, der für die aggressive Vermarktung des abhängig machenden Medikaments Oxycontin verantwortlich war, mit der die Krise begann.
Adam Driver, Venedig 2022
Apropos Krise,- die Befürchtung, dass wir postpandemisch von Coronafilmen überschwemmt würden, hat sich glücklicherweise, zumindest bis heute, nicht bestätigt.
Andererseits, ist mit dem Ablegen der Masken, so scheint es, auch viel zu schnell, das Geschehene in Vergessenheit geraten und hat einer gewissen Sorglosigkeit Platz gemacht.
Vielleicht wird man auch, nach Cannes, sogar etwas wehmütig zurückschauen, auf das Jahr 2022 in dem auch die Biennale d'Arte physisch wieder zugänglich war. Ein Rückblick sicher auch mit gemischten Gefühlen auf eine Zeit des Umbruchs, zusätzlich belastet, durch eine weltweite Pandemie, die auch vor der Kunst nicht halt machte.
Gerry Jochum auf den Filmfestspielen in Venedig, 2022
Bleibt die Frage ob es die täglichen Restriktionen und Einschränkungen, die Beschaffung der Unbedenklichkeitsnachweise, das Fieber messen, die Kontrollen das Maske tragen, das wert waren.
Denn hatten die Not und Notwendigkeiten, nicht am Ende gar etwas verbindendes, das weit über die gemeinsame Betrachtung von Filmen hinauswies?
Es bleibt zu hoffen.
G.Jochum
Abel Ferrara, Gerry Jochum by Gerry Jochum