Missbrauchsskandal: Bis zu 700 betroffene Domspatzen
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Die Zahl der Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen ist wesentlich höher als bisher angenommen. Das hat Rechtsanwalt Ulrich Weber mitgeteilt. Vor acht Monaten hatte das Bistum Regensburg ihn mit der Untersuchung zur Klärung der Missbrauchsfälle beauftragt, an diesem Freitag veröffentlichte er seinen ersten Zwischenbericht. Pia Dyckmans hat ihn gelesen.
Ulrichs Weber Recherche hat bei der Ausgangssituation begonnen, dass 72 Opfer körperlicher Gewalt anerkannt waren vom Bistum und zwei Täter wegen sexuellem Missbrauch beschuldigt wurden. Diese Zahlen musste Weber nun nach intensiven Gesprächen und Aktensichtung deutlich nach oben korrigieren. „Es sind 231 Meldungen eingegangen. Die Opfer sprechen einhellig von dem Umstand, dass ein Drittel der Kinder auch geschlagen wurde. In der Kernzeit von 1953 bis 1992 sprechen wir von 2450 Schülern. Mithin habe ich derzeit keinen Grund, von einer Gesamtopferzahl von 600-700 zu zweifeln,“ führt Weber aus. Darüber hinaus sollen etliche Kinder zudem sexuell missbraucht worden sein. Die Bandbreite der Taten geht von Streicheln bis hin zur Vergewaltigung laut Zwischenbericht. Bei den Gewalttaten spricht Weber von Prügelattacken bis zum „blutig Schlagen“, Flüssigkeitsentzug oder auch Verweigerung von Nahrung. Schüler wurden zugleich zu Falschaussagen über die Misshandlungen gedrängt.
Die Recherche von Ulrich Weber ergaben, dass die Verantwortlichen von den Vorkommnissen wussten, sowohl der langjährige Direktor Johann Meier als auch der Stiftungsvorstand des Chores. Nach Webers Worten wusste auch Georg Ratzinger, Bruder des emeritierten Papstes Benedikt XVI. und langjähriger Leiter des Knabenchors, von den Misshandlungen. Die Ereignisse wurden zwar teils kritisiert, führten aber nicht zu personellen, strukturelle oder gar juristische Konsequenzen.
Weber hatte mit Dutzenden Opfern, Verantwortlichen und anderen gesprochen, um einen umfassenden Eindruck zu gewinnen. Zudem gewährte ihm das Bistum Regensburg Einblicke in die Geheimarchive und Personalakten des Bistums. „Ich bin der Meinung, dass das Thema Aufarbeitung mit der akribischen Aktenrecherche beginnen muss. Denn diese ist selbst die Grundlage und Basis, um Strukturen zu erkennen, deren Mängel aufzuzeigen und insbesondere die richtigen Entscheidungen in der Zukunft zu treffen.“
Die nächsten Schritte werden, so Weber, weitere Untersuchungen sein. Außerdem wird ein beratendes Kuratorium gebildet, das aus sechs Opfervertretern, zwei Mediatoren, vier Mitgliedern des Stiftungsvorstands der Domspatzen, dem Generalvikar und Bischof Rudolf Voderholzer bestehen wird. Dies wird voraussichtlich am 1. Februar zum ersten Mal zusammentreten. Das Bistum Regensburg wollte zu dem Zwischenbericht keine Stellungnahme abgeben, es warte damit bis zum Abschlussbericht, wie der Pressesprecher des Bistums, Clemens Neck, mitteilte.