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Menschenhandel - eine der schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenrechte

(Der Ausschuss) fordert die Mitgliedstaaten auf, Artikel 8 der Richtlinie 2011/36/EU vollständig und gebührend umzusetzen; weist darauf hin, dass Menschen, die Opfer von Menschenhandel wurden, weder kriminalisiert noch für die strafbaren Handlungen, zu denen sie gezwungen wurden, verantwortlich gemacht werden dürfen, insbesondere nicht für Prostitution, irgendeine andere Form der sexuellen Ausbeutung oder Zwangsarbeit (Der Ausschuss) fordert die Mitgliedstaaten auf, Artikel 8 der Richtlinie 2011/36/EU vollständig und gebührend umzusetzen; weist darauf hin, dass Menschen, die Opfer von Menschenhandel wurden, weder kriminalisiert noch für die strafbaren Handlungen, zu denen sie gezwungen wurden, verantwortlich gemacht werden dürfen, insbesondere nicht für Prostitution, irgendeine andere Form der sexuellen Ausbeutung oder Zwangsarbeit

(Der Ausschuss) betont, dass es sich beim Menschenhandel um eine moderne Art der Sklaverei und eine schwerwiegende Straftat handelt, die eine der schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenrechte darstellt, die in Gesellschaften, deren Grundlage die Achtung der Menschenrechte einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter ist, nicht akzeptiert werden darf; ist ferner der Auffassung, dass der Menschenhandel ganzheitlich angegangen werden muss, wobei der Schwerpunkt nicht nur auf sexuelle Ausbeutung zu legen ist, sondern auch auf Zwangsarbeit, Organhandel, Zwangsbettelei, Zwangsheirat, Kindersoldaten oder den Handel mit Babys;

STELLUNGNAHME DES AUSSCHUSSES FÜR BÜRGERLICHE FREIHEITEN, JUSTIZ UND INNERES (27.5.2016)

für den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zur Bekämpfung des Menschenhandels in den Außenbeziehungen der EU

(2015/2340(INI))

Verfasser der Stellungnahme (*): Bodil Valero

(*) Assoziierter Ausschuss – Artikel 54 der Geschäftsordnung

VORSCHLÄGE

Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres ersucht den federführenden Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, folgende Vorschläge in seinen Entschließungsantrag zu übernehmen:

– unter Hinweis auf das Genfer Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung von Flüchtlingen,

A. in der Erwägung, dass durch die illegalen Migrationsströme ein erhöhtes Risiko auf Menschenhandel besteht, da die Migranten, die sich in einer irregulären Situation befinden, aufgrund ihrer Schutzbedürftigkeit und ihrer Klandestinität besonders gefährdet sind, Opfer von Menschenhandel zu werden; in der Erwägung, dass unbegleitete Minderjährige, die einen erheblichen Teil der Migranten ausmachen, die nach Europa kommen, eine Zielgruppe für die Schleusernetze darstellen; in der Erwägung, dass 10 000 von ihnen nach Angaben von Europol bereits verschwunden sein sollen;

B. in der Erwägung, dass der Menschenhandel sich dank der Ausweitung des Zugangs zum Internet in der Welt Europol zufolge online immer stärker entwickeln kann; in der Erwägung, dass dies neuen Formen der Anwerbung und Ausbeutung von Opfern Vorschub leistet;

C. in der Erwägung, dass ein Zusammenhang zwischen Schmuggel von Migranten und Menschenhandel besteht; in der Erwägung, dass Schleuserbanden unter anderem auf das Internet zurückgreifen, um bei potenziellen Migranten ihre Dienste anzupreisen;

D. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, Europol und den Herkunfts- und Transitländern der Opfer von Menschenhandel ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Menschenhandelsnetzwerke ist;

E. in der Erwägung, dass 69 % der im Dreijahreszeitraum 2010-2012 erfassten Opfer des Menschenhandels sexuell ausgebeutet wurden, 19 % Zwangsarbeit verrichten mussten und 12 % auf andere Art und Weise ausgebeutet wurden, etwa indem ihnen ein Organ entnommen wurde oder sie zu Straftaten gezwungen wurden; in der Erwägung, dass es sich bei 67 % der in diesem Zeitraum erfassten Opfer des Menschenhandels um Frauen handelte, 17 % Männer waren, 13 % Mädchen und 3 % Jungen; in der Erwägung, dass der Menschenhandel in seinen unterschiedlichen Ausprägungsformen mit eigens darauf abgestimmten Maßnahmen zu bekämpfen ist;

1. fordert die Mitgliedstaaten auf, zusätzlich zu allen maßgeblichen Rechtsrahmen zum Menschenhandel die Richtlinie 2011/36/EU ohne jegliche Verzögerung umzusetzen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, rechtliche Schritte gegen die Mitgliedstaaten einzuleiten, die die Vorschriften nicht umsetzen, und den Bericht über die Umsetzung, der eigentlich schon im April 2015 hätte vorgelegt werden sollen, so bald wie möglich zu veröffentlichen;

2. betont, dass es sich beim Menschenhandel um eine moderne Art der Sklaverei und eine schwerwiegende Straftat handelt, die eine der schlimmsten Formen der Verletzung der Menschenrechte darstellt, die in Gesellschaften, deren Grundlage die Achtung der Menschenrechte einschließlich der Gleichstellung der Geschlechter ist, nicht akzeptiert werden darf; ist ferner der Auffassung, dass der Menschenhandel ganzheitlich angegangen werden muss, wobei der Schwerpunkt nicht nur auf sexuelle Ausbeutung zu legen ist, sondern auch auf Zwangsarbeit, Organhandel, Zwangsbettelei, Zwangsheirat, Kindersoldaten oder den Handel mit Babys;

3. hebt hervor, dass die EU die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und mit Drittländern, insbesondere den Herkunfts- und Transitländern der Opfer von Menschenhandel, bei der Prävention, der Ermittlung und der Strafverfolgung von Menschenhandel verbessern muss, insbesondere im Rahmen von Europol und Eurojust, unter anderem durch Informationsaustausch, insbesondere in Bezug auf bekannte Schmuggelrouten, durch Teilnahme an gemeinsamen Ermittlungsgruppen sowie bei Maßnahmen zur Bekämpfung der Anwerbung von Menschen zum Zwecke des Menschenhandels über das Internet oder andere digitale Kanäle; hält es für wichtig, dass die Mitgliedstaaten systematisch Daten austauschen und die Datenbanken Focal Point Phoenix und Focal Point Twins von Europol speisen; plädiert für eine engere Zusammenarbeit zwischen Europol und Interpol bei der Bekämpfung des Menschenhandels und weist mit Nachdruck darauf hin, dass die EU-Standards über Datenschutz bei einem Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern uneingeschränkt zu beachten sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, mehr vergleichbare Daten über die Bekämpfung des Menschenhandels zu erheben und den Datenaustausch untereinander und mit Drittländern zu verbessern;

4. fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, ihre Strafvollzugs- und Polizeibehörden mit dem notwendigen Personal und den erforderlichen Ressourcen auszustatten, damit diese in der Lage sind, auch von Familien oder aus anderen Quellen Informationen zu erhalten, sich mit den einschlägigen europäischen und nationalen Behörden über diese Informationen auszutauschen und diese Informationen auch angemessen zu verarbeiten und zu analysieren;

5. weist mit Nachdruck darauf hin, dass der eindeutige Zusammenhang zwischen Menschenhandel zu sexuellen Zwecken und Prostitution Maßnahmen erfordert, um der Nachfrage nach Prostitution Einhalt zu gebieten;

6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden, auch von Agenturen wie Frontex, Europol und der EASO, sowie andere Beamte, bei denen es wahrscheinlich ist, dass sie mit Opfern oder potenziellen Opfern von Menschenhandel in Kontakt kommen könnten, eine angemessene Schulung erhalten, damit sie mit Fällen von Menschenhandel umgehen können, mit einem integrierten intersektionellen Blickwinkel und unter besonderer Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Frauen, Kindern und anderen Gruppen, die sich in einer schutzbedürftigen Situation befinden, wie etwa Roma und Flüchtlinge, sowie darüber, wie Anreize geschaffen werden können, damit Menschen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, aber auch andere Personen, Menschenhändler anzeigen, und wie sie umfassend geschützt werden können;

7. ist der Auffassung, dass die Aufdeckung der Opfer von Menschenhandel aus Drittländern zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in der Handelskette erfolgen soll, und dass die Anstrengungen an den Grenzen daher verstärkt werden müssen, damit die Opfer bereits bei ihrer Einreise in die Union ermittelt werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Verbesserung der vorhandenen Leitlinien, die konsularischen Diensten und Grenzbeamten bei der Identifizierung von Opfern von Menschenhandel nützlich sein können, mit Drittländern zusammenzuarbeiten; hält es ebenfalls für notwendig, dass Grenzschutzbeamte und Küstenwachen Zugang zu den Datenbanken von Europol haben;

8. fordert den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, mit Drittländern bewährte Verfahren auszutauschen, erstens über die Schulung von Polizeibeamten und Helfern, damit diese wissen, wie sie am besten mit Opfern umgehen, und zweitens über die Anwendung des Grundsatzes der individuellen Begutachtung von Opfern, damit festgestellt werden kann, welche besonderen Bedürfnisse diese haben und welche Hilfe und welchen Schutz sie benötigen;

9. fordert die EU und die Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten auf, ihre Kapazitäten in Bezug auf Finanzermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung von Einzelpersonen und kriminellen Netzwerken, die vom Menschenhandel profitieren, auszubauen, und als wichtige Strategie bei ihrer Arbeit den Ansatz „Folge dem Geld“ zu verfolgen; hält es für notwendig, sich auch mit den Gewinnen zu befassen, die durch den Menschenhandel erzielt werden, und betont, dass solche Gewinne dazu genutzt werden könnten, andere Formen schwerer Kriminalität, zum Beispiel Terrorismus, Drogen- und Waffenhandel und Geldwäsche zu finanzieren; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Zentralstellen der Mitgliedstaaten für Verdachtsmeldungen (FIU) verstärkt in die Bekämpfung des Menschenhandels eingebunden werden und zu diesem Zweck im Rahmen eines besseren Austausches von Informationen und bewährten Verfahren zusammenarbeiten sollten; vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die Mitgliedstaaten stärker zusammenarbeiten sollten, um die Vermögenswerte von Personen, die am Menschenhandel beteiligt sind, einzufrieren und zu beschlagnahmen, zumal dies ein wirksames Mittel sein könnte, damit der Menschenhandel von einem Geschäft mit „niedrigem Risiko/hohem Ertrag“ zu einem Geschäft mit „hohem Risiko/niedrigem Ertrag“ wird;

10. fordert die Kommission, den Europäischen Rat und den EAD auf, bei ihren Verhandlungen mit Drittländern über internationale Abkommen, Rückübernahmeabkommen und Kooperationsabkommen mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass Drittländer den Menschenhandel wirksam bekämpfen, die Täter strafrechtlich stärker verfolgen und die Opfer besser schützen müssen;

11. fordert die Kommission auf, zu bewerten, ob das Mandat der zukünftigen Europäischen Staatsanwaltschaft gegebenenfalls überprüft werden muss, damit die Bekämpfung des Menschenhandels in ihren Zuständigkeitsbereich integriert wird;

12. fordert die Mitgliedstaaten auf, die bewusste Inanspruchnahme von Dienstleistungen, zu denen Opfer des Menschenhandels und der Prostitution gezwungen werden, die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen der sexuellen Ausbeutung, Zwangsarbeit oder erzwungene Dienstleistungen, einschließlich Bettelei, Sklaverei oder der Sklaverei ähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung strafbarer Handlungen, oder Organentnahme, als Straftatbestand in die Rechtsordnung aufzunehmen;

13. weist darauf hin, dass die Schleusung von Migranten und Menschenhandel zwei verschiedene Dinge sind, wobei der Hauptunterschied darin besteht, dass die Migranten der Schleusung zugestimmt haben, die mit der Ankunft an ihrem Ziel endet, im Gegensatz zu den Opfern des Menschenhandels, die durch Zwang, Täuschung und Missbrauch ausgebeutet werden, ohne dass sie die Möglichkeit der Zustimmung haben; weist mit Nachdruck darauf hin, dass es hier auch Überschneidungen geben kann, da die Gefahr besteht, dass kriminelle Gruppen, die Flüchtlinge und andere Migranten in die EU einschleusen, diese ausbeuten und sie zu Opfern von Menschenhandel machen, insbesondere unbegleitete Minderjährige und allein reisende Frauen; fordert die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, diese Überschneidung im Rahmen ihrer Tätigkeiten bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit und bei der Strafverfolgung zu beachten;

14. vertritt die Auffassung, dass nie davon ausgegangen werden kann, dass ein Drittstaatsangehöriger, der aus seinem Land in die EU verbracht wurde (oder ein EU-Bürger, der in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurde) zu Zwecken der Prostitution, irgendeiner anderen Form der sexuellen Ausbeutung oder der Zwangsarbeit, dem zugestimmt hat;

15. hält den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der in Artikel 82 Absatz 1 AEUV verankert ist, für außerordentlich wichtig; fordert die Kommission, die Mitgliedstaaten und die Einrichtungen der EU auf, die Stellung der Opfer von Menschenhandel durch die gegenseitige Anerkennung von Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen, auch durch Entscheidungen über Schutzmaßnahmen für Opfer von Menschenhandel, zu stärken, was bedeutet, dass die Stellung eines Opfers, die einmal in einem Mitgliedstaat festgelegt wurde, in der gesamten Europäischen Union gelten muss, und Opfer (oder Organisationen, die sie vertreten) unterstützt werden und ihnen geholfen wird, wenn ihr Status bei Reisen innerhalb der Union nicht anerkannt wird;

16. ist der Auffassung, dass die Tatsache, dass jemand ein Flüchtling, ein Asylsuchender, ein Inhaber eines Visums aus humanitären Gründen oder eine Person ist, die internationalen Schutz benötigt, das Risiko erhöht, dass diese Person Opfer von Menschenhandel wird; fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden und die Asylbehörden zusammenarbeiten und den Opfern von Menschenhandel, die internationalen Schutz benötigen, dabei helfen, einen Antrag auf Schutz zu stellen; bekräftigt, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels die Rechte der Opfer des Menschenhandels, der Migranten, der Flüchtlinge und der Personen, die internationalen Schutz benötigen, nicht beeinträchtigen dürfen;

17. spricht die besorgniserregende Frage der Verwaltungshaft an, die von Mitgliedstaaten oft systematisch und missbräuchlich eingesetzt wird, obwohl sie eigentlich als letztes Mittel zu betrachten ist; weist darauf hin, dass die Inhaftierung oft zu einer Verletzung der Grundrechte von Migranten und Asylsuchenden führt; fordert die Mitgliedstaaten auf, der Inhaftierung von Opfern von Menschenhandel und Kindern unverzüglich Einhalt zu gebieten; fordert mehr Transparenz in Bezug auf die gegenwärtige Situation in Hafteinrichtungen (durch einen besseren Zugang für die Zivilgesellschaft, Journalisten und Abgeordnete); fordert die Mitgliedstaaten auf, vorhandene Alternativen zur Inhaftierung besser und systematischer zu nutzen und dabei die Bedürfnisse schutzbedürftiger Gruppen wie etwa der Opfer von Menschenhandel zu berücksichtigen;

18. fordert die Mitgliedstaaten auf, Artikel 8 der Richtlinie 2011/36/EU vollständig und gebührend umzusetzen; weist darauf hin, dass Menschen, die Opfer von Menschenhandel wurden, weder kriminalisiert noch für die strafbaren Handlungen, zu denen sie gezwungen wurden, verantwortlich gemacht werden dürfen, insbesondere nicht für Prostitution, irgendeine andere Form der sexuellen Ausbeutung oder Zwangsarbeit;

19. hebt hervor, dass verschleppte Menschen Opfer eines Verbrechens sind und Schutz genießen sollten, unabhängig davon, ob sie bereit sind, mit den Justizbehörden zu kooperieren oder nicht; ebenso sollten sie eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können; hält es für wesentlich, dass, nachdem eine umfassende Risikobewertung darüber durchgeführt wurde, ob eine Person, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen ist, in ihr Land zurückkehren kann, wobei auch der Bewertung der eigenen Situation durch das Opfer selbst Rechnung zu tragen ist, den Opfern und ihren Familien, deren Sicherheit nach der Rückkehr in ihr Herkunftsland nicht garantiert werden kann, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei jeder Rückführung dem Refoulement-Verbot im Einklang mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten nach dem Völkerrecht Rechnung zu tragen ist; fordert die Kommission auf, die Richtlinie 2004/81/EG des Rates über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind, zu überarbeiten; betont, dass eine solche Überarbeitung auch Bestimmungen über Aufenthaltstitel umfassen sollte, auch wenn die zuständigen Behörden nicht kooperieren, ebenso wie eine einheitliche Bedenkzeit auf EU-Ebene;

20. weist mit Nachdruck darauf hin, dass Opfer, insbesondere aus Drittländern, nur selten die Kultur und die Sprache des Landes verstehen, in das sie verschleppt wurden; weist mit Nachdruck darauf hin, dass sie daher zusätzlichen psychologischen Stress und Frustration erfahren;

21. ist der Auffassung, dass die Rolle der Opfer von Menschenhandel als Zeugen bei der Zerschlagung der Netze sowie bei der strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung der Täter von entscheidender Bedeutung ist; erachtet es als notwendig, dass die Opfer geschützt werden, damit sie ohne Gefahr als Zeuge aussagen können; legt den Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang nahe, die zur Verfügung stehenden technischen Lösungen zu nutzen, damit die Opfer von einem sicheren Ort aus aussagen können;

22. stellt fest, dass die Rückkehr von Migranten und Flüchtlingen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zufolge inhärente Risiken des erneuten Menschenhandels birgt, die aufgedeckt, bewertet und abgemildert werden müssen, zumal die Risiken, denen verschleppte Migranten durch ihre Ausbeuter ausgesetzt sind, oft zunehmen, wenn es ihnen gelungen ist zu flüchten, wenn sie mit Beamten der Strafverfolgungsbehörden kommuniziert oder vor Gericht ausgesagt haben(1);

23. fordert die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass die Personen, die dem Menschenhandel zum Opfer gefallen sind, sowie ihre Familienangehörigen Zugang zu kostenfreiem Rechtsbeistand sowie zu unentgeltlicher Rechtsberatung haben, auch bei Straf- und Zivilverfahren oder bei Verfahren im Zusammenhang mit Migration; hält einen besonderen und fokussierten Ansatz bei der Bekämpfung des Menschenhandels für notwendig und vertritt die Auffassung, dass Gruppen, die sich in einer schutzbedürftigen Situation befinden, wie zum Beispiel Flüchtlinge, Personen mit Behinderung, Roma und Kinder, auch unbegleitete Minderjährige aus Drittländern, geschützt werden müssen;

24. weist darauf hin, dass der Handel mit Kindern vielfach zu sexuellem Missbrauch, zu Prostitution, zu Zwangsarbeit oder zu illegaler Organentnahme und -handel führt, und betont, dass nie davon ausgegangen werden kann, dass ein Kind, das Opfer von Menschenhandel wurde, zugestimmt hat, Arbeiten zu verrichten oder Dienste zu erbringen; ist besorgt darüber, dass nach Schätzungen von Europol von Januar 2016 mindestens 10 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach ihrer Ankunft in der EU spurlos verschwunden sind; bedauert, dass gefährdete Kinder von Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden häufig als Straftäter oder als irreguläre Migranten behandelt werden, und dass diese nicht systematisch nach Hinweisen für Menschenhandel schauen, um Opfer zu identifizieren;

25. ist der Auffassung, dass es in Bezug auf unbegleitete Minderjährige von wesentlicher Bedeutung ist, zu einer besseren und proaktiveren Identifizierung minderjähriger Opfer von Menschenhandel zu gelangen, insbesondere bei Grenzüberschreitungen und in Aufnahmezentren, sowie zu einer stärkeren disziplinübergreifenden Zusammenarbeit, damit gewährleistet ist, dass das Kindeswohl auch wirklich geschützt wird; erachtet es für erforderlich, die Vormundschaftssysteme in den EU-Mitgliedstaaten zu stärken, um zu verhindern, dass unbegleitete und von ihren Familien getrennte Kinder in die Hände von organisierten Schlepperorganisationen fallen;

26. weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 2011/36/EU „die erforderlichen Maßnahmen [treffen], damit eine auf die Einzelbewertung des Kindeswohls gestützte dauerhafte Lösung gefunden wird“; ist der Auffassung, dass eine dauerhafte Lösung dadurch gefunden werden kann, dass das Kind in die Gesellschaft seines Gastlandes integriert oder die Familienzusammenführung erleichtert wird, damit das Kind sich seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat anschließen kann;

27. fordert die Mitgliedstaaten auf, den Schutz und die Rechte der Opfer von Menschenhandel vor, während und nach Strafverfahren zu stärken; empfiehlt den Mitgliedstaaten, wenn sie ein individuelle Risikobewertung durchführen, damit sichergestellt ist, dass Opfer von Menschenhandel angemessenen Schutz erhalten, Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen, wie zum Beispiel Geschlecht, Schwangerschaft, Gesundheitszustand, Behinderung, sexuelle Orientierung, Alter und die Stellung des Opfers als Flüchtling, Asylbewerber oder als Person, die internationalen Schutz benötigt; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Familienzusammenführungspolitik für die Opfer von Menschenhandel zu stärken, insbesondere wenn dies zu ihrem Schutz notwendig ist;

28. weist darauf hin, dass die Kommission vor Abschluss eines Abkommens zur Erleichterung der Visaerteilung die Risiken bewertet, die das betreffende Land insbesondere im Bereich der illegalen Einwanderung darstellt; betont, dass die Schlepperorganisationen auch legale Migrationskanäle nutzen können; fordert die Kommission daher auf, die effektive Zusammenarbeit der von Menschenhandel betroffenen Drittländer in die Kriterien miteinzubeziehen, die mit Blick auf jedes Abkommen zur Erleichterung der Visaerteilung zu erfüllen sind;

29. weist darauf hin, dass die EU einen verbindlichen und obligatorischen Rechtssetzungsansatz in Bezug auf Neuansiedlungen benötigt, wie dies in der Agenda für Migration der Kommission dargelegt ist; verweist darauf, dass die Aufnahme aus humanitären Gründen als Ergänzung zur Neuansiedlung genutzt werden kann, um den am stärksten gefährdeten Menschen, wie unbegleiteten Minderjährigen, Flüchtlingen mit Behinderungen oder Personen, die dringend medizinischer Evakuierung bedürfen, – häufig vorübergehend – schnellen Schutz zu bieten;

30. ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten Systeme zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer entwickeln sollten, um ihnen dabei zu helfen, Wege aus der Ausbeutung zu finden, indem sie zuallererst angemessenen Wohnraum bereitstellen, der nicht vom Aufenthaltsstatus des Opfers abhängig sein darf, aber auch Beratung und Informationen, Unterstützung in den Bereichen Soziales, Bildung und Beruf, Wiedereingliederungsprogramme, therapeutische und psychologische Betreuung, gemeinsam mit Mitarbeitern aus den Bereichen Soziales und Bildung;

31. fordert die Mitgliedstaaten auf, den schutzbedürftigen Gruppen, die zur Bettelei gezwungen werden, zum Beispiel den Roma, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und diesen Aspekt im nationalen Kontext der Integrationsstrategien für die Roma zu berücksichtigen;

32. weist mit Nachdruck darauf hin, dass Kinder und Menschen mit Behinderung einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Menschenhandel zu werden; hebt hervor, dass Opfer von Menschenhandel dadurch, dass sie von einem Menschenhändler missbraucht wurden, eine Behinderung entwickeln können, während andererseits eine Person mit einer Behinderung gerade wegen dieser Anfälligkeit gezielt Opfer von Menschenhandel werden kann;

33. erkennt die Bedeutung und die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien im Bereich des Menschenhandels an, und ist sich der Tatsache bewusst, dass Technologie eingesetzt wird, um die Anwerbung und Ausbeutung von Opfern zu erleichtern, dass diese Technologie jedoch auch dazu genutzt werden kann, Menschenhandel zu verhindern; ist der Auffassung, dass die Rolle von Informations- und Kommunikationstechnologien im Bereich des Menschenhandels besser erforscht werden sollte;

34. fordert die Kommission auf, zu untersuchen, inwiefern das Internet für den Menschenhandel genutzt wird, insbesondere, was die sexuelle Ausbeutung im Internet betrifft; fordert, dass Europol die Bekämpfung des Menschenhandels im Internet im Rahmen der EU-Meldestelle für Internetinhalte (EU IRU) verstärkt, damit das Online-Material über Menschenhandel aufgedeckt, gemeldet und entfernt werden kann;

35. fordert die Kommission auf, bei ihrer Zusammenarbeit mit Drittländern den neuen Entwicklungen des Menschenhandels im Internet Rechnung zu tragen; fordert die Kommission und Europol auf, zu prüfen, wie die europäischen Stellen zur Bekämpfung der Cyber-Kriminalität (insbesondere im Rahmen von Europol) mit den entsprechenden Stellen in Drittländern zusammenarbeiten können; fordert die Kommission darüber hinaus auf, zu prüfen, wie sie mit den Internetprovidern zusammenarbeiten kann, um die Inhalte im Zusammenhang mit dem Online-Menschenhandel aufzudecken und zu bekämpfen; fordert die Kommission auf, das Parlament entsprechend auf dem Laufenden zu halten;

36. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, die Bekämpfung des Menschenhandels, der eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte ist, im Rahmen ihrer Außenbeziehungen und des Dialogs mit Drittländern als Priorität beizubehalten;

37. hält es für dringend notwendig, die Ratifizierung und Umsetzung der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels im Rahmen der auswärtigen Beziehungen der EU zu fördern;

38. hebt hervor, dass Zwangsheirat als Form des Menschenhandels betrachtet werden kann, wenn diese eine Form der Ausbeutung des Opfers beinhaltet, und fordert alle Mitgliedstaaten auf, diese Dimension zu berücksichtigen, wenn sie die Definition von Menschenhandel festlegen; hebt hervor, dass die Ausbeutung sexuelle Formen (Vergewaltigung, Prostitution und Zwangspornographie) oder wirtschaftliche Formen (Hausarbeit und Zwangsbettelei) annehmen und die Zwangsheirat das endgültige Ziel des Handels sein kann (Verkauf eines Opfers als Ehefrau oder Eheschließung durch Nötigung); weist auf den möglichen transnationalen Charakter einer Zwangsheirat hin; fordert die Mitgliedstaaten daher auf, dafür zu sorgen, dass die für Migration zuständigen nationalen Behörden entsprechend geschult werden, was die Problematik der Zwangsheirat im Rahmen des Menschenhandels betrifft; fordert die Kommission drüber hinaus auf, den Austausch der diesbezüglichen bewährten Verfahren zu intensivieren;

39. stellt fest, dass sich eine neue Art des Menschenhandels entwickelt hat, bei der mit Menschen gehandelt wird, um Lösegeld zu erpressen, und bei der auch schwere Folter stattfindet; stellt fest, dass diese neue Form der Vermarktung von Menschen durch Erpressung, Schläge und Vergewaltigung als Mittel, die Zahlung von Schulden durch Familienangehörige und Verwandte innerhalb und außerhalb der EU zu erzwingen, gekennzeichnet ist;

40. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, Menschenhandel wegen Lösegeld mit Folter als eine Form des Menschenhandels anzuerkennen; ist der Auffassung, dass die schwer traumatisierten Überlebenden als Opfer einer Form des strafbaren Menschenhandels anerkannt werden und Schutz, Betreuung und Unterstützung erhalten sollten(2);

41. ist der Auffassung, dass sichere und legale Einreisemöglichkeiten in die EU die Gefährdung durch Menschenhandel und diesen selbst verringern würden;

42. weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2011/36/EU Organisationen der Zivilgesellschaft fördern und eng mit ihnen zusammenarbeiten sollten, insbesondere bei Initiativen zur Politikgestaltung, bei Informations- und Sensibilisierungskampagnen, Forschungs- und Bildungsprogrammen und bei der Schulung sowie bei der Überwachung und Bewertung der Wirkungen von Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels; weist ferner darauf hin, dass auch die nichtstaatlichen Organisationen einen Beitrag dazu leisten sollten, Opfer frühzeitig zu identifizieren, sie zu unterstützen und ihnen zu helfen; betont, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen sollten, dass nichtstaatliche Organisationen vor Vergeltungsmaßnahmen, Drohungen und Einschüchterung geschützt werden, und noch mehr, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie Opfer von Menschenhandel unterstützen, die sich in einer irregulären Situation befinden;

43. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, gezielte und geeignete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, sowie Sensibilisierungskampagnen und Forschungsprogramme durchzuführen, mit dem Ziel, das Risiko zu verringern, dass Menschen Opfer von Menschenhandel werden; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Bürger durch Informationskampagnen über auf die Themen Menschenhandel und Erkennung von Opfern aufmerksam zu machen, auch indem sie für die Auswirkungen und Konsequenzen des „Sextourismus“ sensibilisiert werden sowie dafür, dass viele schutzbedürftige Frauen und Kinder, die in der Sextourismusindustrie arbeiten, dies tun, damit sie überleben;

44. begrüßt die Tätigkeit von Europol insbesondere im Rahmen von Focal Point Twins, damit die Personen identifiziert werden, die sich in Drittländer begeben, um Kinder zu missbrauchen; fordert die Mitgliedstaaten auf, mit Europol zusammenzuarbeiten und für einen systematischen und schnellen Datenaustausch zu sorgen;

45. empfiehlt der internationalen Gemeinschaft, sich vor allem dem Menschenhandel in Krisensituationen wie Umweltkatastrophen oder bewaffneten Konflikten zuzuwenden, auch in Ländern, in denen die Menschenrechte auf schwerwiegende Art verletzt werden und den Menschen keine andere Möglichkeit bleibt, als das Land zu verlassen, damit die Widerstandskraft der potenziellen Opfer gegenüber Menschenhändlern und anderen kriminellen Netzwerken erhöht wird;

46. fordert die Mitgliedstaaten auf, bessere Systeme zur Überwachung der Tätigkeiten privater Arbeitsvermittlungen einzuführen, die Drittstaatsangehörige vermitteln, die zum Arbeiten in die EU reisen;

47. fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, mit dem Privatsektor und allen relevanten Akteuren zusammenzuarbeiten, um den Menschenhandel entlang der gesamten Lieferkette zu verhindern, wobei insbesondere die Problematik der Kinderarbeit zu berücksichtigen ist; betont, dass umgehend eine europäische Unternehmenskoalition gegen Menschenhandel ins Leben gerufen werden muss, so wie dies in der Strategie der EU zur Bekämpfung von Menschenhandel (2012-2016) erläutert wird;

 

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM MITBERATENDEN AUSSCHUSS

Ergebnis der Schlussabstimmung

  • +: 46
  • –: 0
  • 0: 5

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Martina Anderson, Malin Björk, Michał Boni, Ignazio Corrao, Agustín Díaz de Mera García Consuegra, Laura Ferrara, Monika Flašíková Beňová, Lorenzo Fontana, Ana Gomes, Nathalie Griesbeck, Sylvie Guillaume, Jussi Halla-aho, Monika Hohlmeier, Filiz Hyusmenova, Iliana Iotova, Eva Joly, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Barbara Kudrycka, Marju Lauristin, Monica Macovei, Roberta Metsola, Claude Moraes, József Nagy, Soraya Post, Judith Sargentini, Birgit Sippel, Branislav Škripek, Traian Ungureanu, Bodil Valero, Marie-Christine Vergiat, Beatrix von Storch, Tomáš Zdechovský

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter

Hugues Bayet, Carlos Coelho, Anna Maria Corazza Bildt, Iratxe García Pérez, Anna Hedh, Marek Jurek, Ska Keller, Miltiadis Kyrkos, Gilles Lebreton, Jeroen Lenaers, Angelika Mlinar, Morten Helveg Petersen, Salvatore Domenico Pogliese, Barbara Spinelli, Axel Voss

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 200 Abs. 2)

Beatriz Becerra Basterrechea, Eugen Freund, Jean-François Jalkh, Peter Lundgren

 

(1) Siehe den Jahresbericht 2011 der Internationalen Organisation für Migration (IOM) über Maßnahmen gegen Menschenhandel und zur Unterstützung schutzbedürftiger Migranten von 2011 („Counter Trafficking and Assistance to Vulnerable Migrants Annual Report of Activities 2011“), S. 23.

(2) Das EP hat diese neue Art des Menschenhandles bereits in seiner Entschließung vom 10. März 2016 zur Lage in Eritrea erwähnt;

Quelle: Europäisches Parlament

Bild von LaCasadeGoethe auf Pixabay

Last modified onSunday, 26 April 2020 08:36

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